Innsbruck – Integration sei keine Einbahnstraße, erklärte gestern LH Günther Platter in Innsbruck. Die hier lebende Community müsse alles dazu beitragen, dass keine innertürkischen Konflikte nach Tirol getragen würden. In Tirol leben 11.783 Türken und rund 28.000 Menschen mit türkischem Migrationshintergrund. Abstimmen durften nur jene mit einem türkischen Pass. Das hätten 4000 getan, 3000 davon hätten für Erdogan gestimmt.
Der Ausgang des Referendums hätte „gravierende Auswirkungen“ in der Zusammenarbeit der EU mit der Türkei. Die angekündigte Wiedereinführung der Todesstrafe sei ein No-Go und damit eine Mitgliedschaft der Türkei ausgeschlossen.
Platters Stellvertreterin, Ingrid Felipe (Grüne), erinnerte daran, dass die Aussage, 73 Prozent der Austrotürken hätten mit Ja gestimmt, falsch sei. Nur Menschen mit türkischer Staatsbürgerschaft hätten am Referendum teilnehmen können. Dass es „Defizite in der Integration“ gegeben habe, „ist kein Geheimnis mehr“, sagte Felipe. Einreiseverbote für türkische Regierungsmitglieder hätten die Situation „angestachelt“. Es gehe nun darum, den Dialog aufrechtzuerhalten. Defizite in der Integration räumte auch Platter ein. Das Thema sei lange „stiefmütterlich“ behandelt worden.
Tief gespalten ist nicht nur die Türkei, sondern auch die türkische Community in Tirol. „Allerdings nicht erst seit dem Referendum, sondern schon wesentlich früher“, wie Inan Petek vom „Kurdischen Volkshaus“ in Innsbruck betont. Im Alltag hierzulande werde daher der Ausgang des Referendums und das knappe „Ja“ zu den von Erdogan forcierten Verfassungsänderungen kaum spürbar sein und nur wenige direkte Auswirkungen haben. Die viel zitierte Spaltung sei eben seit Jahren auch in Tirol eine Tatsache.
Ähnlich bewertet auch Özgür Erdogan die Lage. Der Gemeindevorstand der Aleviten in Tirol spricht von einer Polarisierungspolitik, die Präsident Erdogan ganz bewusst nach Europa getragen habe, indem er türkische Politiker hier Wahlkampfauftritte absolvieren ließ. Genau diese Politik habe nicht nur die Spaltung der türkischstämmigen Gruppierungen in Österreich vorangetrieben. „Sondern sie hat auch die in den 1990er-Jahren von Österreich begonnene Integrationspolitik zunichtegemacht“, ist Özgür Erdogan überzeugt. Nun drohe die Türkei in einen autoritär-sunnitischen Gottesstaat umgebaut zu werden. „Und wahrscheinlich wird den letzten Kräften mit einer aufgeschlossenen Einstellung der Garaus gemacht“, fürchtet der Aleviten-Sprecher. (aheu, np)
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