Washington – „Das ist ein beispielloser juristischer Übergriff“, ruft Donald Trump am Mittwochabend mit heiserer Stimme einer Versammlung von Anhängern in Nashville zu. Kurz zuvor ist auch sein zweites Dekret mit pauschalen Einreiseverboten für Flüchtlinge und Bürger muslimischer Länder vorläufig landesweit außer Kraft gesetzt worden, diesmal von einem Bundesrichter im fernen Hawaii.
Trump vermeidet es zwar diesmal, den Richter persönlich anzugreifen, wie er es im Februar nach seinem ersten Fiasko mit dem Einreisebann getan hatte. Doch der US-Präsident stellt der johlenden Menge die rhetorische Frage, ob die Entscheidung „politisch“ motiviert gewesen sei. Und er kündigt an, den Kampf um seine Einreiseverbote notfalls bis vor das Oberste Gericht zu tragen: „Wir werden siegen.“
Irak von „Liste“ gestrichen
Die kämpferische Pose kann freilich nicht kaschieren, dass Donald Trump mit seinen Einreiseverboten, mit denen er eines seiner zentralen Wahlkampfversprechen umsetzen will, tief im Schlamassel steckt. Kurz nach seiner Rede blockiert auch ein Bundesrichter in Maryland seinen jüngsten Erlass. Trump steht noch ein langes und zähes juristisches Gefecht um seine Einreisepolitik bevor, das viele Energien seiner Regierung aufzehren wird.
Das erste Dekret hatte tagelanges Chaos an den Flughäfen und Massenproteste ausgelöst, um schließlich von Richtern in den Westküstenstaaten Washington und Kalifornien gestoppt zu werden. Daraufhin unterzeichnete der Präsident Anfang März einen neuen Erlass – in der Erwartung, diese Version werde der richterlichen Prüfung standhalten.
Das Dekret ist etwas abgemildert und in einigen Punkten präziser formuliert. Der Irak wurde aus der Liste der Länder gestrichen, für deren Bürger ein 90-tägiges Einreiseverbot gelten soll – nun stehen nur noch sechs Staaten auf der Liste.
Richter sieht Affront gegen „eine bestimmte Religion“
Auch wurde eine Ausnahmeregelung für die christlichen Minderheiten gestrichen, um dem Vorwurf der religiösen Diskriminierung vorzubeugen. Und Doppelstaatsbürger und Besitzer gültiger Visa sowie dauerhafter Aufenthaltsgenehmigungen wurden explizit von dem Einreisebann ausgenommen, um erneute Konfusion zu vermeiden.
Doch dies alles nützte nichts. Richter Derrick Watson in Honolulu folgt am Mittwoch der Argumentation des Staates Hawaii, der – unterstützt von fünf weiteren Staaten – gegen das Dekret geklagt hat. Er gelangt zu dem Schluss, dass in den Augen eines „vernünftigen, objektiven Beobachters“ die Anordnung bezwecke, „eine bestimmte Religion zu benachteiligen“.
Der Richter hebt hervor, dass in den sechs Staaten der muslimische Bevölkerungsanteil zwischen 90,7 und 99,8 Prozent liege. Insofern sei offenkundig, dass der Bann auf den Islam selbst abziele.
Version Nummer eins noch nicht vom Tisch
Trump wird in der Richterentscheidung auch von seiner Wahlkampfrhetorik eingeholt. Watson zitiert Äußerungen des Rechtspopulisten, in denen er über Muslime und den Islam hergezogen war – etwa ein Interview, in dem Trump konstatierte: „Ich denke, der Islam hasst uns.“
Solch harsche Rhetorik vermeidet Trump zwar, seitdem er an der Macht ist. Doch bezeichnet er die undifferenzierten Einreiseverbote als notwendige Maßnahme im Kampf gegen „radikale islamische Terroristen“. Die zeitweise Aussetzung der Einreise soll der Regierung die Zeit geben, die Sicherheitschecks für Einreisewillige zu überprüfen – diese Kontrollen sind allerdings schon jetzt rigoros.
Bei seinem Auftritt in Nashville beruft sich Trump auf einen Verfassungsartikel, wonach es dem Präsidenten erlaubt ist, die Einwanderung zu stoppen, wenn dies im nationalen Interesse liegt. Und in seiner Wut bringt der Präsident sogar die Option ins Spiel, zu seinem ursprünglichen Dekret zurückzukehren und diese härtere Version gerichtlich durchzufechten – es ist eine Überlegung, welche die Rechtsexperten seiner Regierung nicht unbedingt begeistern dürfte. (Daniel Jahn/AFP)
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