Von Markus Schramek
Wien, Innsbruck – Komplizierte biologische Sachverhalte verständlich auf den Punkt zu bringen: Dafür ist Genetiker Markus Hengstschläger einem breiteren Publikum bekannt. Entsprechend gefragt sind seine Sachbücher und Vorträge. So wird der gebürtige Oberösterreicher übermorgen Freitag beim 10. Tiroler Demenztag in Innsbruck zum Thema „Zukunft des Alterns“ zu sehen und zu hören sein“ (weitere Details siehe Infokasten unten). Die TT erreichte den vielbeschäftigten Wissenschafter vorab per E-Mail, um ihn zu befragen, was wir uns vom Älterwerden erwarten dürfen bzw. worauf wir uns einstellen müssen.
Herr Professor, wir haben zwei Gemeinsamkeiten: den Vornamen und den Geburtsjahrgang 1968. Nächstes Jahr ist somit bei uns der runde 50er fällig. Sind wir wenigstens biologisch jünger, als das klingt?
Markus Hengstschläger: Biologisch sind wir vielleicht ein wenig jünger als 50-Jährige vor 50 Jahren. Wir sind aber sicher um einige Jahre jünger als 50-Jährige vor 200 Jahren. Wir haben an Lebenserwartung gewonnen und vor allem auch an gesunden, vitalen Jahren. Natürlich hängen diese aber auch von der Lebensweise eines Menschen ab, in der Vergangenheit und künftig, und von seinem genetischen Rüstzeug. Um das in Ihrem Fall beurteilen zu können, müsste ich mehr von Ihnen wissen.
Was können wir selbst dazu beitragen, damit die Jahre vor uns auch gute Jahre werden? Müssen wir uns kasteien, auf das gute Glasl zum guten Essen verzichten, jeden Tag 10 Kilometer durch die Pampa laufen?
Hengstschläger: Ich halte durchaus etwas von der Eigenverantwortung des Einzelnen für seine Gesundheit. Wenn es auch nichts garantiert, so ist es sicher besser, wenig Alkohol zu trinken, nicht zu rauchen, auf sein Gewicht zu achten, moderat Sport zu betreiben und genügend zu schlafen.
„Den Jahren Leben geben und nicht nur dem Leben Jahre“ lautet ein Denkanstoß, den Sie schon länger predigen. Ein sinnerfülltes Leben streben wir doch alle an, müssen oft aber erkennen, dass wir auch fremdbestimmt sind in unseren Handlungen.
Hengstschläger: Jetzt sprechen Sie einen noch zusätzlich wichtigen Aspekt an: Wer körperlich gesund ist, kann aber trotzdem unglücklich sein und zumindest das Gefühl haben, ein nicht sinnerfülltes Leben zu leben – und umgekehrt. Ich als Genetiker kann zum Verständnis dieser Tatsache aus der Sicht meines Faches allerdings relativ wenig beitragen.
Sie halten es für möglich, dass jeder zweite heute Geborene 100 Jahre alt wird. Wie kommen Sie zu dieser Annahme?
Hengstschläger: Das sind oft formulierte Erwartungen, die allerdings nur für Regionen mit so guten Lebensbedingungen und medizinischer Versorgung wie etwa bei uns gelten. Und auch nur dann, wenn die ungesunde Lebensweise, die wir bei zu vielen Kindern heute leider feststellen müssen – Übergewicht, zu wenig Bewegung –, geändert werden kann.
Ist es denn erstrebenswert, möglichst alt zu werden?
Hengstschläger: Ich glaube nicht, dass es erstrebenswert ist, um jeden Preis möglichst viele Jahre zu leben. Ich meine das nicht nur, weil wir noch keine wirklich erfolgreichen Therapien für klassische Alterserkrankungen wie Alzheimer, Parkinson oder gewisse Augenprobleme haben.
Kann es der Genetik gelingen, die erwähnten Krankheiten des Alters zu entschlüsseln, um sie in der Folge zu therapieren?
Hengstschläger: Wir erleben derzeit sehr vielversprechende Entwicklungen im Bereich der Genanalysen und der Gentherapie. Ich glaube allerdings, dass Erkrankungen wie die schon erwähnten immer nur durch die übergreifende Zusammenarbeit vieler verschiedener medizinischer Fächer in den Griff zu bekommen sein werden, vielleicht eben unter Zuhilfenahme der Genetik.
Gewisse „Fehler“ von Ungeborenen werden heute aufgrund von Genanalysen schon im Mutterleib behandelt. Wo ist das Ende dieser Entwicklung: ein perfektes Baby mit gewünschter Augenfarbe und einer Lebenserwartung von 100 plus?
Hengstschläger: Wer bestimmt oder wer weiß, was perfekt sein soll? Und selbst wenn: Die Genetik wird das nicht bewerkstelligen können und hoffentlich auch in tausend Jahren nicht wollen.
Wird sich der medizinische Fortschritt Ihrer Meinung nach insgesamt in Richtung „gottgleich“ bewegen und Blindheit oder Lähmung heilen können?
Hengstschläger: Es wird in weiter Zukunft sehr vieles möglich sein, das wir uns heute noch nicht vorstellen können. Die Frage nach Gott bzw. einer „Gottgleichheit“ muss in diesem Zusammenhang dann aber jeder für sich selbst beantworten.
Schlagworte